Die Anschlussbahn von Wicklesgreuth nach Katterbach

 

Die Machtergreifung der Nationalsozialisten und deren massive Aufrüstung hatte schon 1934 direkte Auswirkungen auf die Region: 4 km östlich von Ansbach planten die deutsche Luftwaffe bei Katterbach einen Militärflugplatz und etwa 10 km von diesem entfernt eine Luftmunitionsanstalt. Standort dieser Muna wurde westlich von Neuendettelsau der „Baronswald“, weil man dort ein 150 Hektar große Gelände gut tarnen konnte. Im Herbst 1934 begann der Bau, zeitweise waren bis zu 2.000 Arbeiter in zwei Schichten beschäftigt, auch samstags und sonntags. Das gesamte Baumaterial kam auf der Schiene, wodurch die Lokalbahn zeitweise stark überlastet war. Vom Bahnhof Neuendettelsau aus wurden provisorische Schmalspurgleise verlegt, auf denen Feldbahnloks das Baumaterial in Kipploren zu den bis zu 1,5 km entfernten Baustellen brachten. Später erhielt die Muna einen normalspurigen Gleisanschluss, damit man Güterwagen zu den Produktionsstätten rangieren konnte.

Kurz danach begann der Bau des Flugplatzes, der bis in die Kriegsjahre hinein „Ansbach-Neunkirchen“ hieß: Ein 5 km langes Anschlussgleis verband ihn mit dem Bahnhof Wicklesgreuth. Im Juli 1936 war Richtfest und im November 1936 wurde das Kampfgeschwader (KG) 155 dorthin verlegt. Ab Juli 1938 folgten weitere Einheiten, die auch am Angriff auf Polen im September 1939 beteiligt waren. Bis Mitte 1943 starteten auf dem Fliegerhorst Flugzeuge, um Frankreich, England und Russland zu bombardieren. Wahrscheinlich wurde ein großer Teil der Munition zuvor in Neuendettelsau montiert und gelagert.

Übersichtskarte

Ausschnitt aus der Topograf. Karte von 1970: Die Anschlussbahn nach Katterbach ist mit Kilometrierung rot hervorgehoben.

 

blankAb 1943 griffen die Alliierten den Flugplatz mehrfach mit schweren Bomberverbänden an und machten ihn Mitte 1944 unbrauchbar. Als letzter Kampfverband verließ das KG 101 (mit Junkers Ju 88A) Ansbach im August 1944. Danach diente der Fliegerhorst verschiedenen Bodeneinheiten. Zuletzt war es das Flughafen-Bereichs-Kommando FBK 14/VII, das vor seinem Abzug im April 1945 die Startbahn, Hallen und andere technische Einrichtungen sprengte.  

Schon kurz danach besetzte die 3. US-Armee das Gelände. Nach rascher Instandsetzung nutzte sie das „Airfield R.45“ noch kurze Zeit als Einsatzflugfeld der Ninth Air Force der United States Army Air Forces (USAAF). Bis Mai 1945 lagen dort P-47 der 354th Fighter Group. Nach Abzug der Kampfflugzeuge wurde es zunächst ein Wartungs- und Logistik-standort der USAAF und im Mai 1947 an die United States Army übergeben, die es in „Katterbach Kaserne“ umtaufte.  

Katterbach-160494

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Nach dem Ende der Besatzungszeit wurde der ehe-malige Fliegerhorst eine NATO-Einrichtung und Stationierungsort der 1st Armored Division (1st AD) der United States Army. Viele verschiedene Verbände der 1st AD nutzten die Kaserne in den folgenden Jahrzehnten und 1964 wurde der Flug-platz Standort der amerikanischen Heeresflieger. Die auf der anderen Seite der Bundesstraße 14 gelegene „Bismarck Kaserne“ war von 1970 bis 1988 Standort der 1-37 Armor, einem Panzer-bataillon, das 1988 nach Vilseck verlegt wurde. Anschließend lag hier bis zu seiner Deaktivierung das Bataillon 1-1 Cavalry und danach bis 2006 Teile der 1st Infantry Division Aviation.

Die 5 km lange Anschlussbahn wurde über die Jahrzehnte sehr unterschiedlich genutzt: Während Militätmanövern war viel los und dazwischen gab es oft lange Ruhephasen. Auch die Geheimhaltung oder Öffentlichkeitsarbeit unterlag großen Schwankungen: In den 1990er Jahren konnte man sich beim "Deutsch-Amerikanischen Volksfest" frei im Kasernenbereich bewegen und dabei auch die Gleisanlagen inspizieren.

Am 16.4.94 durften die Nürnberger Eisenbahn-freunde sogar bei ihrer Sonderfahrt nach Dinkelsbühl einen Abstecher auf das Katterbacher Gleis machen. Zwischen dem Bahnübergang der Neukirchener Straße und  dem Tor der US-Kaserne war dann Endstation. Dort entstanden die beiden Bilder mit Blick nach Westen. 

Die Terroranschläge auf New York und Washington am 11.9.01 sorgten dafür, dass die Amerikaner weltweit ihre Sicherheitsstandards erhöhten. Auch die Kasernen in Ansbach wurden von der Öffentlichkeit abge-schirmt und der Haupteingang der  „Bismarck Kaserne“ von der Bundes-straße B 14 nach Südosten neben das Bahngleis verlegt.

Am 12.9.09 bemerkte ich mit etwas Glück, dass nach längerer Pause wieder ein Güterzug nach Katter-bach fuhr. Die beiden oberen Bilder machte ich beim Ansbacher Stadtteil Neukirchen. Dabei bekam ich Besuch von zwei freundlichen US-Soldaten, die nach meinem Treiben fragten. „Trainspotter“ kannten sie und schmunzelten. Sie kontrollierten meine Fotos auf dem Kameradis-play, von denen zum Glück keines die Kaserne im Hintergrund zeigte. Mit dem Hinweis „Don't make pictures in the other direction!“ stiegen sie wieder in ihren Jeep und setzten ihre Kontrollrunde fort.

Zwei Monate später bereitete die Deutsche Bahn AG den Bahnhof Wicklesgreuth für die neue S-Bahn von Nürnberg nach Ansbach vor. Um Platz für Parkplätze zu schaffen, riss sie das Abstellgleis 1 auf der Nordseite heraus. Die Strecke nach Katterbach bekam dafür eine neue Weiche zum durchgehenden Haupt-gleis 2 von Nürnberg nach Ansbach.

Danach wurde die Strecke nur noch selten befahren. Gelegentlich nutzte man die ersten Meter bei Wickles-greuth zum Abstellen von Bau-fahrzeugen. Es stand zu befürchten, dass man als nächstes über die Stilllegung und den Abbau der Anschlussbahn lesen würde. 

Um so erstaunlicher war die Presse-kampagne der US-Army im Sommer 2020 zum „umfangreichsten Zug-verkehr nach Katterbach in den vergangenen zehn Jahren“: Er fand vom 13. bis 26. Juli täglich statt und diente der Verlegung der 101st Combat Aviation Brigade (CAB) aus Fort Campbell im US-Bundesstaat Kentucky als inzwischen sechster „Rotationseinheit“:

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Wicklesgreuth am 08.11.09

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Nordöstlich von Katterbach

Am 13.7.20 dokumentierte Ingo Ehrlich den ersten Transport zur Kaser-ne: 294 729 an der Zugspitze bei km 3,5 nordöstlich von Neukirchen.
 

Vom Hafen im französischen La Rochelle wurden Fahrzeuge und Ausrüstung mit Zügen nach Ansbach transportiert. Vormittags übernahm die dort statio-nierte Diesellok der Baureihe 294 die Wagen und zog sie nach Wicklesgreuth, rangierte ans andere Zugende und fuhr nach Katterbach weiter. Auf dem Rückweg schob sie die Wagen bis nach Wicklesgreuth und brauchte dort nur einen kurzen Aufenthalt für den Fahrtrichtungswechsel nach Ansbach.

Armee-Fahrzeuge und Ausrüstung setzten ihre Reise in Konvois auf den Bundesstraßen 14, 13 und 470 zu den „Storck Barracks“ in Illesheim fort. Diese besitzen zwar immer noch einen Gleisanschluss neben dem Bahnhof der KBS 806 Neustadt (Aisch) - Steinach (bei Rothen-burg). Aber die Abzweigweiche sieht schon seit langem unbefahrbar aus und es war wahrscheinlich viel billiger, auf der Schiene Katterbach ansteuern.

Im Februar 2021 berichtete die Fränkische Landeszeitung, dass die US-Army das Anschlussgleis sanieren und dann wieder häufiger nutzen will. Auf dem Bild zum Artikel sah man, dass beim Bahnübergang in km 3,9 schon keine Gleise mehr hatte. [Interessant ist die Bemerkung in der zweiten Spalte, dass vor dem Juli 2020 zweieinhalb Jahre lang überhaupt keine Züge nach Katterbach gefahren waren.]

 

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Am 23.3. wanderte ich die Strecke ab: Bis km 1,5 waren die Bahnübergänge sehr verschmutzt, woran wohl die Bagger einer anderen Baustelle neben der Bahnlinie nach Ansbach Schuld waren. Bis km 2,9 sah das Anschlussgleis dann befahrbar aus und außer teilweise gesperrten Feldwegübergängen wies nichts auf einen geplanten Gleisbau hin.

Ab km 2,9 wurde gearbeitet: Ein Traktor brachte etwa im 20-Minuten-Takt neuen Schotter aus der Kaserne zum Bahnübergang in km 3,35. Dort übernahm ihn ein 2-Wege-Bagger mit einem Anhänger und verteilte ihn grob bis km 3,1. Von km 3,35 bis zum Kasernentor (bei km 4,1) lagen schon frischer Schotter und frische Gleise. Nördlich von Neukirchen standen Baufahrzeuge und -materialien auf einer (fast fußballfeld-großen) planierten Fläche. 

Größere Maschinen konnte ich bei mehreren Vorbeifahrten nicht beobachten. Am 8.4. schraubten zwei Arbeiter die vorläufigen Gleisverbindungen ab und verstauten die Eisenteile auf einem Wagen, den sie per Hand auf dem Gleis verschoben. Der Lagerplatz nördlich von Neukirchen war schon einem frisch gepflügten Acker gewichen, der Bahn-übergang daneben aber noch nicht fertig und für Kraftfahrzeuge nur mit engen Kurven einspurig befahrbar. Am 27.4. waren die Arbeiten beendet und der Bahnübergang in km 3,9 wieder uneingeschränkt befahrbar.

 

km-1,25_US-Anschluss

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km 3,25 am 23,3.21
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km 3,85 Umladeplatz 

km 4,0 am 8.4.21

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